Station 1: EoE – wie bitte?

Shownotes

In der ersten Folge des Podcasts Abfahrt Speiseröhre decken wir auf, was hinter der Erkrankung Eosinophile Ösophagitis (kurz EoE), steckt. Für die medizinische Einordnung sorgt Prof. Dr. Stephan Miehlke, Gastroenterologe aus Hamburg. Aber keine Sorge, Dich erwartet kein trockener medizinischer Vortrag. Neben den Basics rund um EoE nimmt uns der von EoE betroffene Lukas mit auf seine Reise und erzählt, wie er die Diagnose EoE erlebt hat und welche Symptome damit einhergingen. Neugierig? Dann höre jetzt in
die erste Folge rein und erfahre mehr über die Speiseröhre!

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In diesem Format werden unter anderem individuelle Erfahrungen mit der Erkrankung Eosinophile Ösophagitis (EoE) besprochen. Wenn Du selbst von EoE betroffen bist oder ähnliche Symptome hast, sprich am besten mit einer Fachärztin bzw. einem Facharzt darüber. Die Informationen in dieser Folge sind keine Empfehlungen und ersetzen kein Facharztgespräch.

Der Podcast ist eine Produktion von Sanofi und Regeneron. MAT-DE-2304274 -1.0-09/2023.

Endoskopie heißt wörtlich übersetzt "in das Innere sehen". Mittels eines Endoskops können Fachärzt*innen u. a. die Speiseröhre untersuchen. Dabei können sichtbare strukturelle Veränderungen der Speiseröhre auf eine eosinophile Ösophagitis hinweisen.

Wusstest Du? Die Six-Food-Eliminationsdiät ist eine Diätform, bei der die sechs am häufigsten vermuteten Nahrungsmittelallergene (Kuhmilchprotein, Weizen, Eier, Soja, Nüsse sowie Fisch und Meeresfrüchte) für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen werden.

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Video-Podcast Abfahrt Speiseröhre: Transkript Folge 1

Hinweis: In diesem Format werden unter anderem individuelle Erfahrungen mit der Erkrankung Eosinophile Ösophagitis (EoE) besprochen. Wenn Du selbst von EoE betroffen bist oder ähnliche Symptome hast, sprich am besten mit einer Fachärztin bzw. einem Facharzt darüber. Die Informationen in dieser Folge sind keine Empfehlungen und ersetzen kein Facharztgespräch.

Moderation: Eosinophile Ösophagitis ist eine chronisch fortschreitende Entzündung der Speiseröhre, mit steigender Prävalenz, das heißt, die Anzahl der Fälle steigt seit Jahren, kann man sagen, und die Lebensqualität von Betroffenen und den Angehörigen natürlich auch, die wird stark beeinträchtigt. Und inwiefern es sich mit dieser Erkrankung leben lässt und alle anderen Informationen dazu, Ursachen, Symptome, Therapiemöglichkeiten, das Rundumpaket, das besprechen wir heute in diesem Podcast. Das ist die erste Folge von Abfahrt Speiseröhre und mit mir im Studio ist Lukas: Hallo Lukas!

Lukas: Hallo.

Moderation: Du bist selbst Betroffener. Vielen Dank, dass du die Zeit findest, dich dem Thema hier zu widmen und mit uns darüber zu sprechen. Und Professor Dr. Stephan Miehlke, Gastroenterologe, also das medizinische Pendant, der Experte dazu. Ja, vielen Dank auch, dass sie da sind.

Prof. Miehlke: Ja, hallo, und vielen Dank für die Einladung.

Moderation: Wir möchten in diesem Podcast über dieses Thema, was natürlich auch ein medizinisches Thema ist, wo vielleicht auch viele Fachbegriffe fallen werden. Unser Ziel ist es, dass wir das so leicht wie möglich erklären und kurz und knackig, damit es wirklich jeder versteht. Deswegen fangen wir einfach mal bei der Basis an, denn die Erkrankung liegt in der Speiseröhre. Speiseröhre: Ich glaube, dass jeder, der zuhört, weiß, was die Speiseröhre ist. Natürlich, das möchten wir hier nicht niemandem unterstellen, aber wir beginnen mal damit, weil wir da mal reinschauen möchten. Was ist die Speiseröhre, und welche Funktion hat sie vor allem bei uns?

Prof. Miehlke: Ja, die Speiseröhre ist an sich, wie der Name schon sagt, eine röhrenförmige Struktur, wobei das keine starre Röhre ist, sondern ein sehr, ich sag mal, eigentlich zarter, flexibler Muskelschlauch, der auch dehnbar ist, etwa eine Länge von 25 Zentimetern hat, so ab Kehlkopfhöhe beginnt. Und die wesentliche Funktion der Speiseröhre ist, wie der Name schon so ein bisschen suggeriert, ist der Transport. Das ist eigentlich sehr überschaubar im Vergleich zu anderen Organen des Verdauungstraktes. Insgesamt ist das eine sehr simple Funktion zunächst mal. Aber, wenn die eben gestört ist, durch Erkrankungen, Entzündungen oder andere Prozesse, dann kann das sehr unangenehm werden, wie die Patienten auch das selbst erleben. Und dieser Transport wird halt bewerkstelligt durch die Muskulatur, die sich in einer bestimmten Art und Weise, nämlich mit einer sogenannten Peristaltik. Das heißt, es ist eine, ich sage mal, koordinierte Bewegung, wenn Speise sozusagen in die Speiseröhre eintritt. Wenn wir schlucken, öffnet sich der obere Schließmuskel der Speiseröhre, und dann kommt die Speise in die Speiseröhre, und dann beginnt dieser Muskel, sich sozusagen koordiniert zu bewegen, um diese Speise Richtung Magen zu transportieren. Durch eine peristaltische Kontraktion und einer Erschlaffung darunter, sodass dann diese Speiseröhre sozusagen langsam heruntertransportiert wird. Das dauert etwa zehn Sekunden im normalen Zustand.

Moderation: Das wollte ich gerade fragen, wie lange dauert das?

Prof. Miehlke: Etwa, also bei fester Speise dauert das so ein bisschen, etwa zehn Sekunden. Natürlich, wenn wir was trinken. Das geht schnell, das fließt runter, und so sozusagen transportiert die Speiseröhre das, was wir essen und schlucken, in den Magen, zur weiteren Verdauung. Das ist eigentlich die wesentliche Funktion. Und dann gibt es noch so nachgeordnete Kontraktionen dieser Muskulatur, um dann auch die Speiseröhre noch zu reinigen.

Moderation: Ah!

Prof. Miehlke: Das nimmt man sozusagen, das nennt man Clearance, das heißt, wenn noch Speisereste verbleiben, werden die dann auch noch heraustransportiert. Das ist die wesentliche Funktion.

Moderation: Okay, also da wischt nochmal jemand durch!

Prof. Miehlke: Ja, da wischt nochmal jemand durch. Das funktioniert auch, wenn wir liegen. Also es ist nicht durch die Schwerkraft sozusagen. Die Schwerkraft ist nicht notwendig.

Moderation: Und bei der Eosinophilen Ösophagitis, kurz EoE, ist gerade diese Funktion ja gestört. Was passiert da in der Speiseröhre? Und was ist EoE überhaupt?

Prof. Miehlke: Also, die Eosinophile Ösophagitis ist zunächst mal eine Erkrankung, die wirklich auf die Speiseröhre lokalisiert ist. Und letztendlich ist dort erst mal eine chronische Entzündung vorhanden. Über die auslösenden Faktoren sprechen wir noch. Und diese chronische Entzündung führt dazu, dass sich die Motilität verändert, also diese koordinierte Kontraktion der Speiseröhre wird gestört durch die Entzündung. Es kommt auch zu einer Verengung des Volumens, also des Durchmessers der Speiseröhre, und das führt eben dazu, dass die Patienten, die davon betroffen sind, unter anderem Schluckbeschwerden entwickeln zunächst mal. Es können auch andere Symptome noch dazukommen, auch je nach Altersgruppe. Das ist unterschiedlich. Und bei dieser Entzündung sind eben verschiedene Entzündungszellen im Spiel. Unter anderem eben auch diese eosinophilen Granulozyten – das sind bestimmte Formen von weißen Blutkörperchen – die auch bei allergischen Erkrankungen vor allem eine große Rolle spielen, und das sind auch die Zellen, die letztendlich diese Erkrankung den Namen gegeben haben.

Moderation: Okay, wenn es zu dieser Verengung kommt, kommt es zu dieser Verengung, weil die Entzündung vorliegt und weil das Gewebe einfach, bei jeder Entzündung ist ja das Gewebe ein bisschen dicker …

Prof. Miehlke: Also, es kommt zu einer Schwellung. Auch die Schleimhaut ist geschwollen, das nennt man ein Ödem und dann eben gibt es noch andere entzündliche Zeichen, wenn man diese Erkrankung sieht bei der Untersuchung, und das führt eben dazu, dass sozusagen die, auch die Wand der Speiseröhre durch die Entzündung verdickt wird und insgesamt sozusagen auch die Dehnbarkeit wird schlechter, also der Muskel ist nicht mehr so dehnbar, wenn er entzündet ist im Vergleich zum Normalzustand. Und die Summe dieser Faktoren führt halt letztendlich zu diesen Symptomen.

Moderation: Okay, also, die Speiseröhre, die ja, die kann einfach nicht die Arbeit durchführen, die sie ...

Prof. Miehlke: Genau, sie kann ihren einfachen Job, sag ich jetzt mal, den sie üblicherweise hat, eben nicht mehr in der Form dann ausüben. Und je länger diese Erkrankung besteht – wir haben ja häufig Patienten, wo das, wenn man die Patienten befragt, „Wie lange haben Sie schon Beschwerden?“, und dann reicht es schon oft sehr lange zurück. Das kann Lukas sicherlich bestätigen. Das heißt, die Erkrankung war dann schon lange da bis zu dem Zeitpunkt, wo wir sie das erste Mal sehen und diagnostizieren. Das heißt, die war schon da und ist auch schon unter Umständen fortgeschritten in der Zeit, und dann kann man natürlich auch sehen, dass da auch schon Zeichen einer fortgeschrittenen Erkrankung existieren, wie dann zum Beispiel eine Vernarbung, eine sogenannte Ringbildung, das heißt, das Gewebe durch chronische Entzündung vernarbt mit der Zeit überall im Körper, aber eben auch in der Speiseröhre, und das kann dann auch schon mal der erste Befund sein, wenn man einen Patienten das erste Mal untersucht, weil die Erkrankung schon so lange da ist. Wir wissen, dass die durchschnittliche Zeit vom Symptombeginn zur Diagnose bei diesen Patienten auch derzeit noch bei sechs Jahren im Durchschnitt liegt. Das ist eine sehr lange Zeit. Natürlich gibt es Patienten, die eine kürzere Symptomdauer haben oder das so wahrnehmen zumindest oder kann ja auch sein, dass Symptome sich verstärken. Aber wenn man dann genauer nachfragt, findet man doch häufig, dass die Symptome auch früher bestanden oder auch aufgetreten sind. Und was bei diesen Patienten eben ganz bemerkenswert ist, ist, dass sie durch eine Veränderung ihres Essverhaltens die Symptome extrem beeinflussen können. Das können wir bei anderen Erkrankungen des Verdauungstraktes nicht. Ich sag mal so, wenn sie eine Entzündung des Darms haben, dann haben sie entsprechende Beschwerden. Das können sie nicht beeinflussen oder kaum beeinflussen. Aber diese Patienten können ihre Beschwerden dadurch erheblich beeinflussen, dass sie zum Beispiel ihr Ernährungsverhalten verändern. Das heißt, sie vermeiden bestimmte Dinge schon seit Jahren, möglicherweise, weil sie mal eine schlechte Erfahrung gemacht haben und sagen: „oh, das esse ich nicht mehr, weil ich weiß, wenn ich das zu mir nehme, dann kriege ich Probleme, also mache ich es nicht mehr.“ Und manchmal nimmt das ganz drastische Formen an, wenn man den Patienten dann so genauer befragt in dieser Richtung, wie sie sich anpassen können, an diese Erkrankung letztendlich, die dann schon da ist. Lange kauen, viel dazu trinken, Dinge vermeiden und so weiter, das sind so die.

Moderation: Also, man denkt dann quasi „Ich schaff das schon selbst irgendwie, ich bekomme das hin, und wenn ich das Essen weglasse, dann habe ich diese…“

Lukas: Es kann ja auch unbewusst sein zum Beispiel. Also, ich meine, Verhalten passt sich an, und man merkt ja, man wird ja im Prinzip konditioniert darauf. Wenn man merkt, man hat Beschwerden, wenn man irgendwas isst, und keine Beschwerden, wenn man was anderes isst, dann macht man unbewusst einfach, passt man sein Verhalten an. Und wenn man dann irgendwann darüber reflektiert, merkt man plötzlich, man ernährt sich ganz anders als andere, ohne das bewusst wahrzunehmen.

Moderation: Wir greifen schon viel, viel vor. Wir haben ja noch hier wunderbare fünf Folgen vor uns, auch wo das Thema Ernährung auch eine Rolle spielen wird. Jetzt komme ich mal zu Lukas. Du bist an EoE auch erkrankt. Erzähl mal, seit wann hast du die Diagnose und wie lebst du damit?

Lukas: Also, die Diagnose habe ich seit zehn Jahren, was nicht heißt, dass ich seit zehn Jahren Symptome habe, weil Symptome habe ich eigentlich solange ich denken kann. Das fing an damit, dass ich mich daran erinnere, wie ich als Zehnjähriger mich ganz klassisch an einem Stück Fleisch verschluckt habe und dann die große Panik in der Familie ausbrauch und mein Vater mich an den Füßen genommen und geschüttelt hat und das alles nichts geholfen hat, er mich dann ins Auto geladen hat und wir dann verschiedene Krankenhäuser angefahren haben, um halt zu versuchen, irgendwie dieses Fleischstück wieder aus der Speiseröhre rauszubekommen. Immer in der Angst, dass man nicht weiß, wo es drinhängt, Speiseröhre oder Luftröhre. Das ist ja im Schock und in der Panik jetzt nicht erkennbar, und diese Reise zu den Krankenhäusern hat dann so lange gedauert, dass ich tatsächlich dann selber rausbekommen habe. Also, ich habe es dann irgendwann ausgespuckt. Natürlich war die Speiseröhre sehr gereizt und der Schock war erst mal groß. Und das ist so die erste bewusste Erinnerung, die ich habe daran, dass ich eine EoE-Symptomatik habe, ohne zu der Zeit damals zu wissen…

Moderation: Keiner hat daran gedacht.

Lukas: Genau.

Moderation: Du hast dich halt verschluckt, du warst zehn Jahre alt.

Lukas: Genau, genau, und das war also, wenn überhaupt. Vielleicht war ich auch jünger, das heißt, das war, sage ich mal, Anfang der Nuller, ja. Ich weiß nicht, ob da in Deutschland irgendjemand schon von EoE geredet hat.

Moderation: Wahrscheinlich eher aus medizinischer Seite. Ich weiß nicht, wie das in der Öffentlichkeit schon präsent war.

Prof. Miehlke: Also ich kann das kurz kommentieren. Ich habe Ende der neunziger Jahre mit der Endoskopie [Hinweis: Endoskopie heißt wörtlich übersetzt "in das Innere sehen". Mittels eines Endoskops können Fachärzt*innen u. a. die Speiseröhre untersuchen. Dabei können sichtbare strukturelle Veränderungen der Speiseröhre auf eine eosinophile Ösophagitis hinweisen.] angefangen, mit meiner Berufsausbildung, und hab dann auch jetzt im Zuge dieser Entwicklung mit der EoE und auch mit der Beschäftigung mit dem Thema, nochmal in die Textbücher da reingeguckt, die ich zu dem Zeitpunkt gelesen habe und nach dem ich gelernt hatte, und da stand die EoE schlicht und ergreifend nicht drin.

Lukas: Ja, ja.

Prof. Miehlke: Das war also noch nicht wirklich bekannt, obwohl sie natürlich schon in der wissenschaftlichen Literatur berichtet worden ist als extrem seltene Erkrankung, aber in den Lehrbüchern hat das zu dem Zeitpunkt noch keinen Eingang gefunden. Das war die Situation zur Jahrtausendwende.

Moderation: Nicht lange her. Genau okay. Kommen wir nochmal zu dir zurück. Du hattest also schon seit Kind auf Symptome. Die wurden nicht richtig als das interpretiert, was es dann am Ende war. Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du die Diagnose bekommen hast? Wie hast du dich gefühlt? Beschreib mal, was ist da auch passiert?

Lukas: Ich denke, meine Diagnose war mit einer Komplikation verbunden. Es war so, dass ich in den Tagen vor der Diagnose Schluckbeschwerden hatte, was ganz klassisch ist für die EoE, und das auch mit Fieber verbunden war, und deswegen bin ich dann zu Ärzten gegangen und dann im Krankenhaus gewesen. Da wurde dann ein Abszess in der Speiseröhre diagnostiziert, und anschließend wurde dann auch die EoE diagnostiziert.

Moderation: Das heißt, du hast vorher schon jahrelang, seit du Kind warst, wie du vorhin gesagt hattest, mit den Schluckbeschwerden gelebt, und dann kam Fieber dazu, und das war natürlich ein Alarmsignal zu sagen: Okay, jetzt stimmt wirklich etwas nicht, jetzt wird es ernst. Jetzt gehe ich ins Krankenhaus.

Lukas: Ja, genau, also interessant, auch, weil ich dieses Fieber gebraucht habe, um zu verstehen, dass wirklich irgendwas stimmt, und diese Schluckbeschwerden, die waren schon so internalisiert in mir, dass ich dachte, das ist was, was ich typischerweise habe, und da haben wir viele Leute schon gesagt, da muss ich besser kauen, und das ist halt einfach ein Problem.

Moderation: „Stell dich nicht so an!“

Lukas: Genau so in der Tendenz, genau. Und als dann die Diagnose da war, da war ich grundsätzlich natürlich erst mal froh, dass ich ein Label habe auf die Beschwerden, die ich habe. Aber andererseits, im Jahr 2013, als ich die Diagnose bekommen habe, gab es wenige Therapieaussichten und wenig Möglichkeiten, wie ich meine Beschwerden jetzt eingrenzen und auch Diäten waren damals und sind es auch heute noch so einschränkend, dass ich nicht gesehen habe, wie die mir den Weg aufzeigen zu einer wirklichen Besserung meiner Symptome.

Moderation: Also, das Krankheitsbild war einfach in dem Zeitpunkt noch gar nicht so bekannt. Darüber sprechen wir auch gleich nochmal.

Lukas: Ich würde sagen, ja.

Moderation: Mich interessiert tatsächlich immer die Gefühlswelt. Jeder, der zuhört oder zuschaut, ist bestimmt daran interessiert. Wie geht es einem damit, eine Diagnose zu bekommen?

Lukas: Ja, also, ich glaube, Glück und Erleichterung kann man in dem Moment empfinden, indem ein Weg aufgezeigt wird, wie man quasi Beschwerden lindern kann oder in eine Krankheit geheilt werden kann, und das war in dieser Zeit einfach noch nicht der Fall. Das heißt im Prinzip das, was mir gesagt wurde: „Du hast diese Krankheit. Wir haben noch nicht viel Erfahrung damit. Wir wissen nicht, wie es in zehn Jahren sein wird. Es gibt noch keine richtige Medikation, und was wir tun können, ist erst mal wieder, also regelmäßige Spiegelung der Speiseröhre und im Prinzip Medikamente, die nicht primär gedacht sind für den Einsatz gegen EoE, verschreiben wir dir und gucken mal, wie es läuft.“ Und das heißt, es war sehr viel Unsicherheit mit im Spiel, was, würde ich sagen, eher Angst gemacht hat, als erleichtert hat am Ende.

Moderation: Dass die Diagnose zu diesem Zeitpunkt, das war 2013, dass das vielleicht nicht die erhoffte Erleichterung für dich war, hat ja auch einen Grund, weil diese Erkrankung noch gar nicht so lange in der Öffentlichkeit bekannt ist. Woran liegt das?

Prof. Miehlke: Na ja, Lukas hatte schon beschrieben, es gab damals noch sehr viel Unsicherheit, weil man vieles eben noch nicht wusste. Wie gesagt, die Wahrnehmung bei uns hierzulande, zumindest zur Jahrtausendwende, war noch sehr überschaubar. Man hatte keine robusten Therapiemöglichkeiten, die Diagnostik war noch so ein bisschen unsicher. Es gab noch keine sogenannten Leitlinienempfehlungen, das ist ja das, was Ärzten auch weiterhilft, wenn sie eine Erkrankung managen sollen, also wie diagnostiziere ich das, wie behandle ich das? Das gab es alles nicht. Das heißt, es war ein großes Feld auch der Unsicherheit für die behandelnden Ärzte sozusagen. Auch in Kliniken oder Universitätskliniken sogar. Wir haben da auch ganz, ganz kuriose Fälle gesehen, wo auch Patienten in Universitätskliniken waren und dort mit aberwitzigen Diagnosen oder Verdachtsdiagnosen entlassen worden sind, und die hatten im Grunde eine EoE.

Moderation: EoE ist 1993 als eigenständiges Krankheitsbild beschrieben worden. Recht spät auf jeden Fall. Was passiert, wenn 1993 ein Krankheitsbild beschrieben wird, was passiert als nächstes in der Medizin?

Prof. Miehlke: In diesem Krankheitsbild, ganz kurios, auch die Geschichte. Das ist ja einmal in der Schweiz und einmal in England das erste Mal beschrieben worden anhand eines Patientenfalls. Und der Fall aus England, was man dann in der wissenschaftlichen Medizin macht, oder wenn der Kollege interessiert daran ist, wissenschaftlich aktiv ist, er berichtet diesen Fall. Das ist erst mal die erste Voraussetzung, dass das überhaupt in der Community, in der medizinischen und wissenschaftlichen Community irgendwie wahrgenommen wird, diesen Fall zu beschreiben. Und es gibt diese Anekdote aus England, der diesen Fall eben zusammengeschrieben hat und versucht hat, ihn zu publizieren, und das war unheimlich schwer, weil man das nicht geglaubt hat. Also er hat das, glaube ich, bei vier oder fünf Journals eingereicht, bis dann endlich ein Journal sich ermüßigt hat, das anzunehmen zur Publikation, und erst damit ist es sozusagen in das Bewusstsein eingetreten.

Moderation: Aber woran liegt es, dass das gar nicht so ernst genommen wurde, jahrelang?

Prof. Miehlke: Ja, weil man immer dachte, das hat was mit Reflux-Krankheit zu tun, dass es vielleicht irgendwie eine Spielform ist, aber nicht eine eigenständige Entität, also eine eigenständige Erkrankung, die sich von anderen Erkrankungen der Speiseröhre abgrenzt. Das war damals, glaube ich, das Hauptproblem. Und sowas führt natürlich zur Verzögerung. Und dann ging es natürlich in der Folgezeit weiter, bis das so in der in der wissenschaftlichen Welt dann ernst genommen wurde und weiterverfolgt wurde. Es hat Jahre gedauert, und in dieser Zeit, von Anfang der neunziger Jahre, von der Erstbeschreibung bis zur Jahrtausendwende ist erst mal gar nicht viel passiert, und erst dann haben Fachgruppen sich angefangen, damit zu beschäftigen, wissenschaftlich zu beschäftigen, Leitlinien zu erstellen auf internationaler Ebene zumindest, und dann ging das so ganz langsam los. Und dann parallel dazu haben wir dann auch gesehen, dass die Erkrankung plötzlich häufiger gesehen wird, häufiger gefunden wird, weil wir wissen, wonach müssen wir gucken, worauf müssen wir achten, wie müssen wir das diagnostizieren? Da kommen wir noch zu, und auch das führt natürlich zu einer Zunahme einer Erkrankung, wenn ich weiß, worauf ich achten muss, wonach ich gucken muss.

Moderation: Das stimmt.

Prof. Miehlke: In anderen Fällen ist es häufig so, dass, vielleicht auch in seinem Fall, man hätte vielleicht dann paar Jahre früher noch nicht mal eine Gewebeprobe genommen, und dann hätte man das nicht diagnostiziert. Wir wissen, dass so 30 Prozent der Patienten die Diagnose gestellt wird zum Zeitpunkt einer Komplikation, nämlich einer Bolus-Obstruktion. Das ist fast jeder Dritte. Die haben alle schon eine lange Vorgeschichte an Symptomen. Aber werden dann in der klinischen Situation dann erst diagnostiziert.

Lukas: Was ist noch mal eine Bolus-Obstruktion?

Prof. Miehlke: Bolus-Obstruktion ist das, was du als Zehnjähriger hattest. Du isst ein Stück Fleisch oder ein Apfel oder irgendwas, was so ein bisschen sperriger ist und nicht so geschmeidig durch die Speiseröhre wandert und das bleibt dann stecken.

Lukas: Ja, ja.

Prof. Miehlke: Und das ist eine Bolus-Obstruktion, also eine akute Verstopfung der Speiseröhre. Der Muskel versucht das weiter zu transportieren, schafft das aber nicht durch die Veränderung durch die Entzündung. Das kann ein extrem schmerzhaftes Ereignis sein, das häufig auch dann notfallmäßig ins Krankenhaus führt und aber das führt häufig eben zu einer notfallmäßigen Einweisung und dann wird versucht, diese, wird man diesen Bolus entfernen, weil der Patient es eben nicht schafft, auf eigenem Wege den zu entfernen.

Moderation: Stefan, jeder von uns hat eine Speiseröhre. Ob Mann, ob Frau, alle anderen innerhalb und außerhalb, wer ist die Zielgruppe von EoE. Kann man sagen, die oder derjenige ist betroffen davon?

Prof. Miehlke: Also, wenn man ein Profil oder ein typisches Profil beschreiben wollte, dann wäre das Lukas. Also, männliches Geschlecht ist, wenn man so will, ein Risikofaktor, für den man natürlich nichts kann. Aber Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen.

Moderation: Warum?

Prof. Miehlke: Etwa im Verhältnis drei zu eins, also von vier Patienten sind drei Männer. Und das wissen wir nicht genau bis heute. Also, wir wissen noch vieles nicht über die Erkrankung, aber das ist auch noch nicht gelöst, sozusagen, man hat vieles untersucht: genetische Faktoren, hormonelle Einflüsse etc.

Moderation: Hast du persönlich eine Idee als Arzt?

Prof. Miehlke: Ne, nicht wirklich, also. Es gibt es aber bei anderen Erkrankungen auch, dass es eine Geschlechts-Prädominanz gibt, also eine Häufung bei dem einen oder dem anderen Geschlecht, ohne dass man das wirklich plausibel erklären kann. Und bei der EoE wissen wir das schlicht und ergreifend nicht. Und wenn ich eine Idee hätte, dann hätte ich schon längst berichtet, aber das ist noch ungelöst. Und Insofern ist das ein Teil des Profils, das Alter sicherlich, die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, vom Kleinkind bis zu älteren Menschen, aber die häufigste Gruppe ist so zwischen 30 und Mitte 40, 50 etwa, wo wir das auch diagnostizieren, also auch wie in deinem Fall. Das ist ein typisches Profil und klar, das Symptombild natürlich. Und dann sind das häufig auch Patienten, die entweder früher schon oder zum Zeitpunkt der Diagnosestellung auch schon andere allergische Erkrankungen in ihrer Vorgeschichte haben, und danach muss man auch immer ganz gezielt fragen. Also Heuschnupfen, Asthma, Neurodermitis, Nahrungsmittelallergien in der Kindheit. Und wenn so was, wenn der Patient das bejaht, und er ist eben männlich, und er hat Schluckbeschwerden, dann hat man schon eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit, ohne untersucht zu haben, dass hier eine EoE vorliegt tatsächlich.

Moderation: Das ist wahrscheinlich auch Inhalt des Erstgesprächs?

Prof. Miehlke: Das ist so ein ganz klassisches Profil. Ja klar. Das ist heute, früher nicht. Aber heute ist das Bestandteil, oder sollte es Bestandteil sein des Erstgesprächs, in der Anamnese, also wo man die Geschichte erhebt, dass man gezielt nach diesen Dingen fragt.

Moderation: Wurdest du das gefragt, Lukas?

Lukas: Mich hat nie irgendjemand was gefragt. Also habe ich übrigens, ich habe trotzdem alles, natürlich, also.

Moderation: Hast du Allergien?

Lukas: Ja, klar, ich habe viele Allergien. Ich habe auch, glaube ich, eine Geschichte mit Neurodermitis im Kleinkindalter, also, ich glaube, alle Risikofaktoren, die jetzt aufgezählt wurden, das trifft absolut für mich zu, und wenn heute jemand mit meinem Symptombild ja heute in der Praxis kommen würde und sagen würde, mir steckt ein Stück Fleisch in der Speiseröhre, dann wäre sofort klar, was der Fall ist. Also.

Prof. Miehlke: Ja, das ist heute so, weil heute die Kenntnis und das Bewusstsein natürlich ein völlig anderes ist, weil es viel mehr geschärft ist, und beim Bolus-Obstruktion denkt man heutzutage als allererstes an dieser Erkrankung, was vor zehn Jahren noch völlig anders war.

Moderation: Stephan letzte Frage: Gibt's noch Tipps, die man Betroffenen geben kann? Vielleicht auch jemand, der zuhört und der vielleicht auch sagt: „Ah, das klingt vielleicht danach, vielleicht habe ich EoE.“?

Prof. Miehlke: Genau ich glaube, der erste wichtige Tipp ist erst mal, das hat auch Lukas Beispiel gezeigt, weil er schon lange mit diesen Symptomen gelebt hat und rumgelaufen ist, dass man diese Symptome ernst nimmt und vielleicht eben schon aktiv den Weg zum Arzt sucht, weil wir wissen, dass diese Latenzzeit, diese sechs Jahre bis zur Diagnose im Schnitt, zum größten Teil durch den Patienten selbst verursacht sind. Also nicht durch den Arzt, weil er das nicht erkannt hat. Das war früher auch ein Faktor, das ist heute aber nicht mehr so. Also, der Arzt-Faktor ist gar nicht mehr jetzt so der entscheidende, sondern die Wahrnehmung des Menschen, des Betroffenen bezüglich dieser Symptome und dann auch die Notwendigkeit, mal einen Arzt aufzusuchen. Deswegen, das ist ein erster wichtiger Schritt, und das wäre auch mein erster wichtiger Tipp, oder eine Bitte, sozusagen, das dann auch zu tun, damit man das abklärt.

Moderation: Zu welchem Arzt gehe ich am besten?

Prof. Miehlke: Das sind ja häufig junge Patienten, die jetzt nicht so den Hausarzt haben wie ältere Patienten. Man kann sich natürlich einen Hausarzt suchen und mit ihm darüber sprechen. Aber der Weg sollte auf jeden Fall natürlich zum Gastroenterologen führen, weil der letztendlich der Einzige ist, der diese Diagnose stellen kann, über die Endoskopie, die man dann machen muss. Und das ist der Weg zur Diagnose, und den müssen wir irgendwie versuchen zu verkürzen, damit wir diese Erkrankung eben schon frühzeitiger finden und dann eben auch heute effektiv behandeln zu können, um Komplikationen, fortschreitende Erkrankungen mit Veränderungen des Organs, was schon eben auch unterbinden können. Das ist das eigentlich das wichtige Kernziel. Das setzt aber voraus natürlich, dass wir an diese Patienten herankommen und deswegen solche Formate natürlich, wo wir Patienten oder Betroffene selber auch ansprechen können oder auch die Sensibilität für diese Symptome schärfen können, sozusagen extrem wichtig.

Moderation: Genau, das wäre das Ziel auch dieses Podcasts, dass wir aufmerksam machen und darüber offen sprechen. Genau, und Diagnose ist ja der erste Schritt, damit eben so eine Geschichte, wie sie dir passiert ist, Lukas, damit andere verschont bleiben. Hast du noch eine Frage an Stephan? Dann kannst du sie jetzt stellen. Vielleicht interessiert dich noch etwas aus medizinischer Sicht?

Lukas: Also, ich glaube, die Frage, die ich am interessantesten finde, ist, warum es eigentlich so schwierig ist, festzustellen, was jetzt tatsächlich Trigger sind, zum Beispiel in der Ernährung, die die Speiseröhre dazu bringen, sich zu entzünden oder nicht. Ich weiß allerdings nicht, ob das die richtige Folge dafür ist, aber nichtsdestotrotz finde ich es sehr interessant.

Prof. Miehlke: Ich kann es ja versuchen, kurz zu beantworten. Also wir wissen ja schon, welche so die Hauptträger sind, wenn man schon viel natürlich darüber untersucht hat, und die kennst du natürlich auch diese Gruppen, was ja auch in den entsprechenden Diätformen, Eliminationsdiäten, wie diese bekannte 6-Food-Eliminationsdiät, da sind schon mal die häufigsten Trigger drin. [Hinweis: Die Six-Food-Eliminationsdiät ist eine Diätform, bei der die sechs am häufigsten vermuteten Nahrungsmittelallergene (Kuhmilchprotein, Weizen, Eier, Soja, Nüsse sowie Fisch und Meeresfrüchte) für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen werden.] Und wenn man die wegnimmt, dann hat man schon eine 70-prozentige Chance, die Entzündung auch zu beseitigen und eine Besserung der Erkrankung herbeizuführen. Dann bleiben aber immer noch 30 Prozent übrig.

Lukas: Ja, ja. Was passiert da eigentlich?

Prof. Miehlke: Und da wird es dann schwierig, weil man kann das eben nicht konkret testen. Also, wir können das durch Allergietests im eigentlichen Sinne nicht herausfinden, welches die verantwortlichen Nahrungsmittel-Trigger sind, und dann kommt auch noch dazu, dass auch Allergene aus der Luft eine Rolle spielen können. Also es ist nicht nur Nahrungsmitteln, sondern auch Luft-Allergene, und die können natürlich auch dieses Delta erklären ein bisschen. Aber wir sind nicht in der Lage, das durch Allergiediagnostik herauszufinden. Das macht das so schwierig. Und das ist auch so ein bisschen die Einschränkung im Hinblick auf die Diät-Therapie natürlich. Es gibt diese empirischen Formen, das heißt, wir wissen, das sind die Haupttrigger, die häufigsten, und die lassen wir jetzt mal weg, und dann gucken wir mal, ob das zum Erfolg führt. Aber wenn das nicht zum Erfolg führt, dann wird es schon schwierig.

Moderation: Lukas, wir haben dann eine Ernährungsexpertin, Ernährungsberaterin hier im Studio sitzen, und wir werden das Thema auf jeden Fall auch aufgreifen. Wir müssen zum Ende kommen. Ich bedanke mich ganz herzlich für eure offenen Worte, vor allem Lukas, für deinen Mut, hier zu sein und über deine Geschichte zu sprechen, und auch Danke an Stephan, dass du dir die Zeit genommen hast. Und in der zweiten Folge werden wir nochmal genauer über die Themen Symptome und Ursachen sprechen. Da wirst du wieder dabei sein im Studio, Stephan. Professor Dr. Stephan Miehlke und Eike, unser zweiter Gast, der auch betroffen ist und aus seiner Perspektive sprechen wird. Es bleibt also spannend und wir werden auch nochmal der Frage nachgehen, warum es kein typisch EoE geben kann. Falls ihr mehr Infos und spannende Inhalte zum Thema EoE haben möchtet, haben wir in der Videobeschreibung einen Website-Link für euch hinterlegt und natürlich freuen wir uns auch über Fragen und Anregungen und Feedback zu diesem Podcast, per Mail am besten. Die Adresse findet ihr natürlich auch in der Videobeschreibung. Vielen herzlichen Dank und wir hören und sehen uns bei der zweiten Folge.

Moderation: MAT-DE-2304274 -1.0-09/2023

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