Station 2: Typisch EoE? Das gibt es nicht!

Shownotes

Die Erkrankung Eosinophile Ösophagitis, kurz EoE, zeigt sich sehr vielfältig. In dieser Folge erzählt Eike, wie sich die Erkrankung bei ihm gezeigt hat, mit welchen Einschränkungen er im Alltag zurechtkommen musste und wie er heute mit der Diagnose EoE lebt. Für die medizinische Einordnung der Symptome und des Krankheitsbildes sorgt wieder Prof. Dr. Stephan Miehlke. Höre jetzt in die zweite Folge rein und erfahre mehr über die wissenschaftlichen Hintergründe und Ursachen der EoE.

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In diesem Format werden unter anderem individuelle Erfahrungen mit der Erkrankung Eosinophile Ösophagitis (EoE) besprochen. Wenn Du selbst von EoE betroffen bist oder ähnliche Symptome hast, sprich am besten mit einer Fachärztin bzw. einem Facharzt darüber. Die Informationen in dieser Folge sind keine Empfehlungen und ersetzen kein Facharztgespräch.

Der Podcast ist eine Produktion von Sanofi und Regeneron. MAT-DE-2304274 -1.0-09/2023.

Ein Faktor, der zur Entstehung der chronischen Entzündung bei EoE beiträgt, ist eine fehlgeleitete Reaktion des körpereigenen Immunsystems, ähnlich wie bei einer Allergie. Diese Reaktion wird Typ-2-Entzündung genannt.

Endoskopie heißt wörtlich übersetzt "in das Innere sehen". Mittels eines Endoskops können Fachärzt*innen u. a. die Speiseröhre untersuchen. Dabei können sichtbare strukturelle Veränderungen der Speiseröhre auf eine eosinophile Ösophagitis hinweisen.

Die Six-Food-Eliminationsdiät ist eine Diätform, bei der die sechs am häufigsten vermuteten Nahrungsmittelallergene (Kuhmilchprotein, Weizen, Eier, Soja, Nüsse sowie Fisch und Meeresfrüchte) für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen werden.

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Videopodcast Abfahrt Speiseröhre: Transkript Folge 2

Hinweis: In diesem Format werden unter anderem individuelle Erfahrungen mit der Erkrankung Eosinophile Ösophagitis (EoE) besprochen. Wenn Du selbst von EoE betroffen bist oder ähnliche Symptome hast, sprich am besten mit einer Fachärztin bzw. einem Facharzt darüber. Die Informationen in dieser Folge sind keine Empfehlungen und ersetzen kein Facharztgespräch.

Moderation: In der ersten Folge haben wir bereits das Krankheitsbild beschrieben und darüber gesprochen, was diese Erkrankung eigentlich ist. Eosinophile Ösophagitis ist eine chronisch-fortschreitende Entzündung der Speiseröhre mit steigender Prävalenz, das heißt die Anzahl der Fälle steigt seit Jahren, kann man sagen und Lukas hat uns einen Einblick gegeben, einen ersten Einblick gegeben, wie es sich mit dieser Erkrankung im Alltag leben lässt. Und ich heiße Euch herzlich willkommen zur zweiten Folge von Abfahrt Speiseröhre. Wir haben Herrn Professor Dr. Stephan Miehlke wieder hier im Studio und Eike ist zu Gast. Du bist selbst betroffen. Herzlich willkommen! Danke, dass du da bist.

Eike: Danke für die Einladung.

Moderation: Ich würde gerne mit deiner Geschichte starten. Du bist jetzt neu dazugestoßen. In der zweiten Folge. Seit wann hast du eine Diagnose?

Eike: Die Diagnose habe ich seit über einem Jahr ungefähr. Die Symptome an sich reichen in die Kindheit zurück. Also irgendwie 8, 9, 10, irgendwie sowas.

Moderation: Also im Gegensatz zu Lukas, der seit zehn Jahren weiß, dass er EoE hat, weißt du es erst seit einem Jahr. Also recht frisch. Wie geht es dir damit?

Eike: Durchwachsen. Also am Anfang halt sehr schwierig gewesen. Wann steckt man das gut weg, dass man eine chronische Erkrankung hat? Sage ich mal vorsichtig. Aber bei mir hat es halt auch angefangen im Kindesalter mit diesen klassischen „mir bleibt irgendwas in der Speiseröhre stecken“. Also irgendwann beim Essen checken und will halt nicht runter und ja.

Moderation: Genau, davon hat Lukas auch gesprochen in der ersten Folge, dass er meinte ja, dass er ein Kleinkind war, ein Stück Fleisch gegessen hat, dann ist ihm das in der Speiseröhre steckengeblieben und dann war die Panik groß. Erzähl mal ein bisschen, lass uns auch gerne ein bisschen in deine Kindheit zurückgehen. Woran erinnerst du dich am allermeisten? Was ist dir da in Erinnerung geblieben?

Eike: Das ständige Hochwürgen. Also bei mir als Kind ist mir, wie gesagt, relativ häufig irgendwas im Hals steckengeblieben und ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Also klassisch war bei mir am Sonntag gemeinsam mit den Eltern gefrühstückt und dann so ein schönes Ei-Brötchen und erster, zweiter Bissen und ich habe halt gemerkt, das ist Druck in der Brust, und es tut richtig weh beim Schlucken und selbst dann beim Trinken, es funktioniert nicht. Der eigene Speichel geht nicht mehr runter. Es ist richtig zu. Und dann blieb mir halt nur: wenn runter nicht geht, bleibt halt nur rauf. Also musste ich zur Toilette und das Ganze halt hochwürgen.

Moderation: Oh Gott, was haben denn deine Eltern dann gemacht?

Eike: In den ersten Malen war das halt so „Okay, was so was passiert hier gerade? Hast du dich verschluckt?“ Und irgendwie. Wollte nicht. Keine Ahnung. Das kam dann häufiger vor, als Kind würde ich fast sagen bei jeder Mahlzeit, irgendwie, dass irgendwas gefühlt steckengeblieben ist.

Moderation: Bei jeder Mahlzeit?

Eike: Und ja dann war es halt irgendwann so ein, ganz blöd gesagt, „Du bist einfach zu blöd zum Essen“ oder so: „du isst zu schnell“ oder weiß nicht, man verschluckt sich halt beim Sprechen dann doch irgendwie was in die falsche Röhre.

Moderation: Hast du dann auch angefangen, bestimmte Lebensmittel nicht mehr zu essen? Und dann vielleicht nur noch weiß ich nicht, jetzt blöd gesagt, Suppen zu essen?

Eike: Ne, das habe ich, also gerade als Kind habe ich das nicht gemacht. Ich habe einfach langsamer gegessen. Ich wurde zu einem sehr, sehr langsamen Esser, weil ich sehr konzentriert war beim Essen und dann irgendwann auch zwischendurch so ein bisschen Angst hatte zu essen, weil gefühlt jedes Mal diese Panik dann kommt. So „Oh Gott bleibt mir das jetzt im Hals stecken?“ Und gerade so unterwegs irgendwo essen war immer so, also nicht unbedingt als Kind nicht bewusst gemacht, aber so in der Jugend Phase, wenn ich dann selbst mit Freunden unterwegs war oder so was, wenn wir essen waren: Erster Blick wo ist die Toilette? Und dann möglichst dicht bei der Toilette sitzen, weil ich manchmal auch nicht viel Zeit habe, gerade wenn ich versuche was zu trinken, um das runterzubekommen. Und es geht nicht runter, kommt das relativ schnell wieder hoch und dann.

Moderation: Okay wow, du hast dir schon eine Strategie zurechtgelegt eigentlich. Und konditioniert wurdest du eigentlich durch diese Erkrankung, kann man sagen. Noch mal zum Tag der Diagnose: Was hat die Diagnose mit dir gemacht? Wie hast du dich gefühlt?

Eike: Es war so ein Gefühlschaos möchte ich mal sagen. Von Wut und der Trauer.

Moderation: Wut? Auf was?

Eike: Wut auf mich. Meine Eltern. Die Ärzteschaft. Weil es in den ganzen Jahren halt keiner, also die Verbindung einfach niemand hergestellt hat. Dass häufiges Erbrechen oder hoch würgen war ja keine Magensäure dabei sage ich mal so, in den meisten Fällen. Dass diese Verbindung niemand hergestellt hat, dass das nicht daran liegt, dass ich „zu blöd bin zum Essen“, sondern das es wirklich, es hat eine Ursache, warum das passiert, und also es ist relativ schnell verebbt, sag ich mal so, in so eine Mischung aus ein bisschen Mitleid. Also „warum trifft mich das?“ So geht es glaube ich jedem, der eine chronische Erkrankung hat oder eine Diagnose bekommt.

Moderation: Es ist auch schwierig. Wem will man da die Schuld geben?

Eike: Genau. Es ist halt dann einfach so ein Fakt. Aber dann auch die Freude und die Erleichterung ist einfach, es ja. Es gibt einen Grund, warum das passiert. So und das ist mittlerweile bin ich, sind wir ja in einer Zeit, wo es auch behandelbar ist.

Moderation: Der Grund, die Gründe. Das ist schon das Stichwort. Ich möchte gerne noch mal mit Stephan aus medizinischer Sicht gerne noch mal auf die Ursachen eingehen. Wir sind ja in Folge eins schon mal drauf eingegangen, aber ich würde gerne jetzt noch mal ins Detail gehen. Kannst du uns nochmal etwas detaillierter die Ursachen von EoE erklären?

Moderation: [Hinweis: Ein Faktor, der zur Entstehung der chronischen Entzündung bei EoE beiträgt, ist eine fehlgeleitete Reaktion des körpereigenen Immunsystems, ähnlich wie bei einer Allergie. Diese Reaktion wird Typ-2-Entzündung genannt.]

Prof. Miehlke: Also die EoE ist eine sogenannte immunvermittelte Erkrankung, chronisch verlaufen, das hatten wir ja schon angesprochen.

Moderation: Immunvermittelt noch mal kurz?

Prof. Miehlke: Ja, dass Immunmechanismen sozusagen eine Rolle spielen bei der Entstehung der Entzündung in der Speiseröhre. Da gibt es bestimmte Botenstoffe, entzündliche Botenstoffe, die hier eine Rolle spielen, die dann zu einer Anreicherung von der Entzündungszellen in der Speiseröhre kommen. Das sind sogenannte Interleukine. Die haben Nummern sozusagen, Interleukin 4, 5, 13. Das sind typische Zytokine, typische Botenstoffe, die bei dieser Erkrankung vermehrt in der Speiseröhre auftreten und dann eben diese Entzündungszellen sozusagen anlocken.

Moderation: Heißt das, das ist angeboren?

Prof. Miehlke: Es ist eine multifaktorielle Erkrankung. Es ist keine Erbkrankheit. Es gibt zwar genetische Faktoren, die eine Rolle spielen, verschiedene, aber es ist keine Erbkrankheit. Und es gibt sogenannte familiäre Häufungen. Also insofern ist immer, die These dazu ist, ein bisschen angeboren, wenn man so will, also die Bereitschaft, solche Erkrankungen generell zu entwickeln. Das hatten wir auch schon angesprochen, dass häufig in der Kindheit auch schon andere sogenannte atopische Erkrankungen auftreten können und dann in der Folge später im Leben diese EoE dazukommt. Es ist meistens auch eine Erkrankung, die erst später kommt, nach diesen anderen Erkrankungen.

Moderation: Und Eike noch mal kurz, wenn wir jetzt sprechen über die familiäre Situation: Gab es bei dir jemanden, der so ähnliche Symptome hatte?

Eike: Nicht wirklich. Nein. Also, ich kannte keinen. Was Allergien angeht ein bisschen. Also so was Laktoseintoleranz aber ansonsten so was Explizites. Nein.

Moderation: Okay, alles klar. Das hat mich noch interessiert. Genau, die Ursachen. Noch mal zurück, Stephan. Also, wir haben genetisch bedingt…

Prof. Miehlke: Umweltfaktoren. Das sind dann natürlich die Allergene, mit denen wir sozusagen exponiert sind oder auch aufnehmen durch die Ernährung, auch durch die Luft. Da gibt es eine Vielzahl von Allergenen, die eine Rolle spielen, die wir zum Teil auch kennen und auch identifizieren können oder eben auch therapeutisch nutzen. Also die häufigsten sind Kuhmilch oder Säugetiermilch, Eier, Soja, Nüsse, Fisch, Meeresfrüchte. Das sind die häufigsten Vorkommen. Es gibt aber auch noch andere: Hülsenfrüchte, glutenhaltige Getreidesorten, die eine Rolle spielen können. Da ist halt einfach viel dabei und Luftallergene auch. Wir haben das auch schon beobachtet nach bei Patienten, die so eine orale Immuntherapie machen, um ihren Heuschnupfen zu behandeln zum Beispiel und dadurch eine EoE entwickeln können, weil sie einfach vermehrt diese Allergene zugeführt bekommen haben, über diese Therapie und dann plötzlich eine EoE entwickeln. Die Ursachen letztendlich sind Allergene. Es ist eine allergenvermittelte Erkrankung, die über die Nahrung aufgenommen werden, in erster Linie aber eben auch über die Luft sozusagen aufgenommen werden können und dann in die Speiseröhre gelangen und dann diese typische Entzündungsreaktion hervorrufen. Das sind eigentlich die, das ist die entscheidende Ursache. Also das zeigt so ein bisschen modellhaft, wie der Entstehungsmechanismus ist, dass bei bestimmten Menschen, die dafür eine Prädisposition haben, diese Allergenexposition eben dann zu dieser spezifischen Entzündungsreaktionen, die man so T2-Entzündungen nennt. Das hängt mit diesem Zytokin-Profil zusammen dann kommen kann.

Moderation: Welche Folgeerkrankungen können mit EoE auftreten im Körper?

Prof. Miehlke: Die EoE selbst ist auf die Speiseröhre beschränkt sozusagen und jetzt an anderen Stellen im Körper macht diese Erkrankung keine direkten Folgeerkrankungen. Natürlich ist es so, dass die Patienten häufig andere Begleiterkrankungen haben, die eben in diese Familie der atopischen Erkrankungen gehören, aber die jetzt nicht direkt Folge der EoE sind. Im Gegenteil, die EoE kommt eher als letzte Erkrankung in diesem Zyklus der Neurodermitis, allergisches Asthma, Heuschnupfen etc. Dann kommt die EoE meistens später erst im Spiel.

Moderation: Hast du Begleiterkrankungen, Eike?

Eike: Ja, also ich habe auch Heuschnupfen. Das kam bei mir aber erst später tatsächlich dazu, also bei Anfang 20. Irgendwann ging das dann richtig los, dass ich stark allergisch reagiert habe auf alles Mögliche. Ich bin laktoseintolerant, also da habe ich sowieso schon einen Faktor, den ich meiden musste. Aber das ist so sonst das Einzige, was bei mir auftaucht.

Moderation: Okay, also in welchem Zeitraum im Jahr geht es dir sage ich mal …?

Eike: Von bis.

Prof. Miehlke: Alles dabei.

Eike: Ich nehme komplett mit.

Moderation: Okay.

Eike: Ja, irgendwie Anfang März, April bis Ende Oktober irgendwann. So einfach komplett einmal durch.

Moderation: Was macht das denn, wenn man sagen muss, es gibt kein typisch EoE?

Prof. Miehlke: Ja, das typisch EoE ist jetzt die Frage: Worauf bezieht sich das? Bezieht sich das jetzt auf die Klinik, auf das Erscheinungsbild? Da gibt es natürlich viele Abweichungen sozusagen. Wir haben den typischen Patienten ja schon so ein bisschen charakterisiert vorhin. Aber es gibt auch Patienten, wo das anders aussieht. Ich mein, Eike ist auch eigentlich ein typischer Verlauf, auch mit der Vorgeschichte, mit den Symptomen, wo man sich eben auch fragt, warum ist man da nicht schon längst irgendwie zu einer Diagnose gekommen? Aber es gibt auch viele Patienten natürlich, wo das nicht so glasklar ist, wo die Symptome anders sind, wo vielleicht auch zum Beispiel Sodbrennen mehr im Vordergrund steht und gar nicht so sehr die Schluckbeschwerden, wo dann sozusagen die Abgrenzung zur Reflux-Krankheit eine wichtige Rolle spielt, wo das ein wichtiges Leit-Symptom ist. Das wäre atypisch, sozusagen im Vergleich zu der anderen Situation. Wir haben auch manchmal Patienten, wo wir die EoE als Zufallsbefund finden, also wo die Endoskopie [Hinweis: Endoskopie heißt wörtlich übersetzt "in das Innere sehen". Mittels eines Endoskops können Fachärzt*innen u. a. die Speiseröhre untersuchen. Dabei können sichtbare strukturelle Veränderungen der Speiseröhre auf eine eosinophile Ösophagitis hinweisen.] aus einem anderen Grund gemacht wird zur Abklärung von anderen Beschwerden. Man sieht dann plötzlich in der Speiseröhre dieses typische Bild einer EoE, was dann auch entsprechend durch Gewebeproben gesichert wird. Die Patienten aber auch auf Nachfrage gar keine wesentlichen Beschwerden haben. Also die gibt es auch. Das wäre auch so ein atypisches Bild.

Moderation: Welche Beschwerden gibt es da nochmal bei Erwachsenen? Also wir haben jetzt Schluckbeschwerden …

Prof. Miehlke: Bei Jugendlichen und Erwachsenen ist eindeutig dominant diese Dysphagie, also die Schluckbeschwerden, das heißt, feste Speisen rutschen nicht mehr richtig durch die Speiseröhre durch. Man muss viel nachtrinken, verschluckt sich, Speichel kann nicht mehr gut geschluckt werden. Dann die Bolus-Obstruktion. Die haben wir auch schon angesprochen, das heißt das akute Steckenbleiben von fester Nahrung in der Speiseröhre, was dann zu entsprechenden Manövern führt oder auch Sicherheitsvorkehrungen, wie Eike das schon beschrieben hat, wo man mal geguckt hat, wo ist die nächste Toilette in der Nähe, bevor ich eine Mahlzeit zu mir nehme. Das sind so die adaptiven Verhaltensmuster sozusagen, die Patienten entwickeln, um sozusagen dieser unangenehmen Situation sozusagen möglichst umgehen zu können. Das sieht man halt dann eben häufig. Das sind so die typischen Symptome bei Erwachsenen. Bei Kindern, Kleinkindern ist das nicht so typisch, da können andere Beschwerden oder stehen im Vordergrund, wie unspezifische Bauchschmerzen, Erbrechen. Ein kleines Kind kann nicht sagen „Ich habe Schluckbeschwerden.“ Ein kleines Kind dreht vielleicht den Kopf weg, wenn man es füttern möchte. Also eine Nahrungsverweigerung sozusagen, Speikinder wie man das auch früher genannt hat. Das sind so Symptome, die man im Kindesalter häufiger findet: Gedeihstörungen, Schlafstörungen etc. also ein wesentlich unspezifischeres Bild. Und je älter die Patienten werden, um so spezifischer wird eigentlich die Symptomatik in der Regel.

Moderation: Betroffen sind ja nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch die Umgebung. Wie sollten Familie, Freunde damit umgehen?

Prof. Miehlke: Na ja, ich denke, klar, das kommt drauf an, in welcher Lebenssituation man jetzt ist, ob man, wenn man Single ist, ist das sicherlich leichter. Wenn man in einer Partnerschaft, in einer Familie lebt, ist das sicherlich schwieriger. Das kommt dann natürlich auch darauf an, wie man die Patienten behandelt. Also Stichwort: Diät. Das ist dann immer ein Thema. Ich kann mich an eine Patientin erinnern, die unbedingt Eliminationsdiät machen wollte, eine Mutter von zwei Kindern in einer Familie. Sie hat gesagt: „Das geht gar nicht, weil wir müssen dann getrennt essen sozusagen.“ [Hinweis: Die Six-Food-Eliminationsdiät ist eine Diätform, bei der die sechs am häufigsten vermuteten Nahrungsmittelallergene (Kuhmilchprotein, Weizen, Eier, Soja, Nüsse sowie Fisch und Meeresfrüchte) für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen werden.]

Moderation: Eliminationsdiät bedeutet, man nimmt, also man lässt …

Prof. Miehlke: Man lässt bestimmte Lebensmittelgruppen weg, weil das halt die häufigsten Ursachen sind. Das ist dann im Lebensalltag gar nicht umsetzbar und natürlich, wenn Kinder betroffen sind, sind die Eltern auch mit im Spiel, die man da mit ins Boot holen muss und dafür auch sensibilisieren muss, damit man auch die Therapie-Entscheidungen zu treffen. Also das hat dann auch schon Auswirkungen auf das familiäre Umfeld, das ist ganz klar.

Moderation: Wie ist es denn bei dir?

Eike: Auch eine Mischung gewesen, von bis. Als ich mit meinen Eltern noch zusammengewohnt habe, war das, ich meine, man hat sich irgendwann dran gewöhnt. So in den jüngeren Zeiten, dass ich halt häufig dann zur Toilette muss. Das einmal hochwürgen und dann kann ich weiteressen. Aber ja gut. Später habe ich dann nicht mehr wirklich mit meinen Eltern mitgegessen. Dann war ich dann halt eher unterwegs. Also da hat sich das nicht mehr ergeben. Wo es noch mal eine Rolle gespielt hat, war natürlich beim Berufseinstieg, weil man mit den anderen Azubis, also mit den Auszubildenden, mit der Abteilung, ist man essen gegangen. Das war für mich natürlich ein unglaublich stressiger Faktor, weil ich ja genau das nicht, ich wollte da nicht großartig essen. Ich habe sehr langsam gegessen, weil ich konzentriert gegessen habe und wenn dann noch was gefragt wird, dann habe ich so mein Essen gerade mal angerührt, während alle fertig sind. Dann war es dann so: „Oh ja. Hattest du keinen Hunger?“ - „Hm okay, ich gehe“ so. Das war dann schon immer ein bisschen stressig.

Moderation: Fühlt man sich dann auch ein bisschen ausgeschlossen mit dieser Krankheit?

Eike: Eine ganze Zeit lang habe ich das, weil viele ja dann ja man geht dann gemeinsam irgendwo essen oder man geht jetzt so auf den Marktplatz oder irgendwie so Food-Stände oder so was. Das habe ich gemieden, weil ich nie wusste, kann ich das jetzt entspannt essen oder muss ich dann irgendwie versuchen ins Gebüsch zu rennen oder ... Also es ist ja dann auch nicht viel Zeit.

Moderation: So wurdest du quasi erzogen, so hast du dich ja selbst erzogen, um das so zu machen?

Eike: Richtig und man wird konditioniert darauf. Diese klassische Vermeidungstaktik, was Lukas auch gesagt hat, wenn mir das Lebensmittel schadet oder wenn mir diese Gewohnheit schadet, lasse ich das. Also dann mache ich irgendwas anders und irgendwann war es Akzeptanz. Also ich habe das einfach akzeptiert, dass mir oft mal etwas steckenbleibt und es war dann halt einfach so. Es war so ein: „Toll, bleibt mir schon wieder im Hals stecken. Kurz würgen und weiter.“ So, es war einfach so eine stumpfe Akzeptanz.

Moderation: Wahnsinn … Stephan, du schüttelst den Kopf?

Prof. Miehlke: Ja, das ist immer wieder verblüffend, wenn man solche Patientengeschichten hört, wie lange das auch Patienten dann machen oder Betroffene machen.

Moderation: Und sich damit abfinden, zu sagen „okay, dann würge ich das halt hoch.“

Prof. Miehlke: Ja, tolerieren sozusagen, also das ist immer wieder verblüffend und das dann doch. Da würde ich dann auch mal fragen wollen: Was hat am Ende dazu geführt, dass du doch zum Arzt gegangen bist, oder? Oder zu welchem Arzt gegangen? Oder was war denn der Trigger nachher sozusagen? Du hast ja mindestens zehn Jahre, wenn ich das jetzt …?

Eike: 20.

Prof. Miehlke: 20 Jahre sozusagen mit Symptomen, warst du betroffen. Und was war jetzt dann der Trigger, der letztendlich zum Arztbesuch geführt hat? Der dann zur Diagnose geführt hat?

Eike: Eigentlich ein komplett anderer. Also ich war, ich hatte was an den Ohren und war beim Hausarzt und der meinte: „Geh mal zum HNO-Arzt, der soll das mal checken.“ Okay, bin ich halt zum HNO-Arzt gegangen und der meinte: „Ja okay, ist alles in Ordnung.“ Ich dachte okay, wenn ich sowieso schon mal bei einem HNO bin: „Ja, ich wollte mal fragen hier, wie sieht das aus? Ich habe irgendwie, bleibt mir öfter was im Hals stecken. Gibt es irgendeine Übung oder was weiß ich was. Ich wusste auch nicht, was es war, dass irgendwas am Kehlkopf ist, irgendeine Verengung von irgendeinem Unfall und keine Ahnung was. Und er hat in den Hals geguckt und er so: „Ja, geh das mal checken“ so.

Prof. Miehlke: Das ist immer wieder beeindruckend, was du gerade sagtest. Weil du hattest dann plötzlich hier ein Problem, bist dann damit aber sofort zum Arzt gegangen und mit dem anderen Problem, was ja 20 Jahre sehr in dramatischer Form sehr existent war. Das ist etwas, was ich bis heute auch noch nicht so ganz verstehe, sozusagen warum da so gezögert wird, dann aber.

Moderation: Ja, und warum wir so ticken, dass wir zum Arzt gehen, wenn es wirklich erst wirklich weh tut.

Eike: Also ich glaube, in dem Fall war es einfach, weil ich sozusagen darauf getrimmt worden bin, dass es keine Erkrankung ist. Also wenn ich weiß, mein Ohr tut weh, ich habe Schmerzen und das zieht irgendwie, dann ist da, dann ist da vermutlich irgendwas. Aber so, wenn du „zu blöd bist zum Essen“ sage ich mal ganz stumpf, dann.

Moderation: Ja, das ist eigentlich ein Glaubenssatz, du hast es verinnerlicht.

Eike: Ja, genau, es prägt sich ein.

Prof. Miehlke: Es ist erstaunlich. Es ist eigentlich schon ein Symptom, wo ich anfangen würde, mir Sorgen zu machen irgendwie und das nicht so als Normalität zu akzeptieren.

Moderation: Aber wenn man von Kind auf nichts anderes kennt …

Prof. Miehlke: Es ist ja so wie es.

Eike: Genau, es wurde dann „normal“.

Moderation: Das gehört zu dir dann. Du denkst es zumindest.

Prof. Miehlke: Und das eben auch heute noch, wo das Ganze schon bekannter ist und wir auch ein bisschen bewusster schon werden.

Moderation: Was würdest du, Stephan, allen, die zuhören und zusehen, raten? Wie sollte jeder mal eine Speiseröhren-Endoskopie machen?

Prof. Miehlke: Ja, auf jeden Fall. Das schon, gerade wenn man solche Geschichten dann hört. Daraus resultiert ganz klar die Empfehlung, dass wenn man von solchen Symptomen betroffen ist und die selber bei sich bemerkt, bemerkt hat, auch wenn sie schon lange da sind oder nicht so lange da sind, dass man das auf jeden Fall einmal abklären lässt, weil da eben eine relevante Erkrankung dahinterstecken kann, die man sehr gut behandeln kann. Und deswegen ist das natürlich immer dringend zu empfehlen.

Moderation: Auch wenn man symptomfrei ist? Also sollte jeder jede das mal gemacht haben?

Prof. Miehlke: Nein, das nicht.

Moderation: Okay. Ich dachte vielleicht so als Vorsorge?

Prof. Miehlke: Nein, es gibt ja keine Empfehlung für eine Vorsorge. Endoskopie des oberen Verdauungstraktes bei uns, da geht es ja um Krebserkrankungen, bei Vorsorge. Und da gibt es bei uns keine Empfehlung, weil eben diese Erkrankung und dann doch die bösartigen Erkrankungen doch sehr selten sind. Und die Wahrscheinlichkeit, also wenn Sie jetzt 1000 Leute von der Straße holen, die keine Beschwerden haben, da jetzt eine EoE zu finden, ist dann doch sehr gering. Also von daher gibt es jetzt diesbezüglich keine Vorsorgeempfehlung, die da lauten alle mal mit 30 zur Spiegelung gehen, mal gucken, ob eine EoE da ist. Das gibt es natürlich nicht. Aber wenn relevante Symptome vorliegen und die Dysphagie, so nennt man ja diesen Begriff Schluckbeschwerden, das ist ein sogenanntes Alarm-Symptom in der medizinischen Fachsprache. Das heißt nicht, dass da was furchtbar Schlimmes dahinterstecken muss, aber es auf jeden Fall ein Symptom, was abgeklärt werden soll. Und deswegen sollte man diesen Schritt dann auch machen.

Moderation: Eike, hast du noch eine Frage an Stephan? Gibt es noch etwas, was dich interessiert?

Eike: Ja, tatsächlich. Ich hatte das bei mir beschrieben, dass, wenn bei mir etwas steckenbleibt und es geht halt nicht runter. Es fühlt sich an, als ob das komplett blockiert ist. Dann würge ich das hoch und kann danach einfach weiteressen. Warum? Das ist so ein Punkt, der hat mich immer, das hat immer nur bestätigt, dass ich irgendwie falsch esse, weil es geht ja dann runter. Das ist so, was mich immer irritiert hat.

Prof. Miehlke: Ja, das ist natürlich auch schwierig zu beantworten. Wahrscheinlich, weil man auch dann danach wieder so ein bisschen, das kann jetzt der Betroffene wahrscheinlich besser beurteilen, doch wieder ein bisschen anders isst oder mehr darauf achtet oder dergleichen. Von daher, es ist ja auch die Obstruktion, ist jetzt nicht abhängig von einer bestimmten Situation, oder was genau ich da jetzt runterschlucke sozusagen. Das ist dann auch manchmal random, also Zufall, sozusagen. Und von daher, da jetzt eine Systematik abzuleiten, ist, glaube ich, schwierig. Ich glaube eher, dass dann die Maßnahmen, die man hinterher dann sozusagen, dass man wieder mehr darauf achtet und vielleicht auch wieder ein bisschen mehr trinkt und dafür ein bisschen langsamer isst. Dass das vielleicht dazu führt, dass es wieder eine Weile geht, bis man dann wieder unachtsamer wird. Ich glaube, das ist die einzige Erklärung so weit. Weil durch den Bolus selber, also dieses steckenbleiben, wenn man das jetzt wieder rausbricht, ist ja an der lokalen Situation nichts verändert. Und insofern.

Moderation: Es klingt so als wärst du geübt darin.

Eike: Ich war da geübt. Und ja, das war auch Routine einfach. Es ist zur Routine geworden.

Moderation: Dann war es das für die Folge zwei. Ich bedanke mich bei Eike vor allem, dass du hier bist, dass du deine Geschichte erzählst. Und Stephan, auch Danke an dich. In der dritten Folge sehen wir uns auch wieder hier in der gleichen Konstellation und wir schauen uns den Weg zur Diagnose an. Falls ihr mehr Infos und spannende Inhalte zum Thema EoE haben möchtet, haben wir in der Videobeschreibung einen Website-Link für euch hinterlegt und natürlich freuen wir uns auch über Fragen und Anregungen und Feedback zu diesem Podcast, per Mail am besten. Die Adresse findet ihr natürlich auch in der Videobeschreibung.

Moderation: MAT-DE-2304274 -1.0-09/2023

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